Heinz Schenk, ein Multitalent der Unterhaltung
von Stefan Schröder
Heute würde man ihn einen Entertainer nennen. Heinz Schenk war Schauspieler, Moderator, Parodist, Sänger und Schlagertexter in einem. Sogar eine Showtreppe konnte er unfallfrei hinabsteigen, zumindest einmal (1992) als Karikatur eines Showmasters in der Komödie „Kein Pardon“. Der am 11. Dezember 1924 geborene Mainzer war ein Profi der volkstümlichen Unterhaltung.
Was heißt das? Der Mann stammte aus einer Zeit, in der Unterhaltung noch als beinhartes Handwerk aufgefasst wurde. Sein Talent reichte ihm nicht, obwohl ihm das schon früh in Familie und Schule bescheinigt worden war. Aus dem Bischöflichen Willigis-Gymnasium hätte man ihn deswegen beinahe rausgeworfen. Der kleine Heinz hatte kurzerhand einen Beichtstuhl im Hohen Dom zu Mainz als Bühne für ein Kasperletheater zweckentfremdet. Angeblich diente ihm sogar der Katechismus als Ideensteinbruch für seine Scherze. Bereits mit elf Jahren hielt er in der berühmten Mainzer Fastnacht seine erste Büttenrede. Heinz hatte sie selbst geschrieben.
Dabei dürften Kindheit und Jugend nicht nur fröhlich verlaufen sein. Seine Mutter habe ihn allein großgezogen, erzählten Freunde später. Sie galt nach den nationalsozialistischen Rassegesetzen als „Halbjüdin“. Der katholisch getaufte Sohn bekam den für seine ersten Auftritte erforderlichen Ausweis der Reichstheaterkammer erst, als ein Pfarrer die Papiere zugunsten einer rein „arischen“ Abstammung fälschte. Den Schauspielunterricht am Wiesbadener Konservatorium durfte Schenk nur neben seinem Hauptberuf besuchen. In der Teppich- und Gardinenabteilung des Wiesbadener Kaufhauses Krüger & Brandt, an der Kirchgasse gelegen, absolvierte er eine Lehre als Fachverkäufer.
Trotz eines Herzfehlers wurde Schenk im Zweiten Weltkrieg als Soldat eingezogen. Als Gefreiter diente er in einer Nachrichteneinheit bei Rostock.
In den ersten Nachkriegsjahren gehörten Unterhalter nicht gerade zu den bestbezahlten Akteuren. So erklärt sich, dass der offizielle Beginn der Karriere mit dem Engagement in einem Wormser Kabarett namens Elefant notiert wird. Dafür gab’s fünf Reichsmark und ein Stammessen pro Abend sowie eine Fahrkarte dritter Klasse nach Hause. Auf der Bühne parodierte Schenk Abend für Abend die Größen der Zeit: Heinz Rühmann, Theo Lingen, Hans Moser und Hans Albers.
Das Jahr 1951 steht in Schenks Leben für die Besiegelung zweier fast lebenslanger Bindungen. Erst führte er Gerti Kraus zum Altar. Er hatte die Liebe seines Lebens bei einem Tanzabend in Berchtesgaden kennenglernt, der Heimat der gelernten Friseurin. Die Ehe dauerte 62 Jahre, sie endete erst mit dem Tod der 85-Jährigen Gerti Schenk 2013. Ebenfalls 1951 heuerte der Mainzer ausgerechnet beim Hessischen Rundfunk an und wurde binnen kurzer Zeit zu einer der bekanntesten Stimmen des berühmten „Frankfurter Wecker“.
Parallel dazu sahen und hörten ihn die Deutschen der Wirtschaftswunderjahre in Dutzenden von Bühnenprogrammen, Rundfunkveranstaltungen und Schlagerparaden mit Sketchen und Quiz-Spielen. Beim Privatsender Telesaar im Saarland, das damals noch nicht zu Deutschland gehörte, trat er erstmals als Conférencier in einer Fernsehsendung auf.
Der endgültige Durchbruch kam mit der Rolle des Gastgebers in der Sendung „Zum Blauen Bock“. Ausgerechnet sein ebenfalls 1924 in Mainz geborener Kollege vom „Frankfurter Wecker“, Otto Höpfner, war sein Vorgänger. Von 1966 bis 1987 moderierte Schenk den Abend in der Kulisse einer hessischen Äppelwoi-Kneipe insgesamt 134 Mal. Zwar agierte der alerte Schenk offiziell nur als Oberkellner, seine Wirtin war die Kollegin und Produzentin der Sendung Lia Wöhr. Doch neben der Conférence kamen alle Liedertexte, die er sang, aus seiner Feder. Die Melodien komponierte er gemeinsam mit seinem jahrzehntelangen Partner Franz Grothe. Die beiden siezten sich bis zu Grothes Tod 1982 und legten großen Wert auf Einladungen an Opern- und Operettenstars.
Die Sendung, alle sechs Wochen ausgestrahlt am späten Samstagnachmittag, war das, was man heute einen Quotenbringer nennen würde: Bis zu 20 Millionen Zuschauer versammelten sich um den Fernseher, wenn der Oberkellner in Tracht die Schlagerstars und -sternchen ankündigte und mit seinem bekannt-mokanten Lächeln eigene Lieder vortrug.
Ein Auszug aus der Gästeliste: Caterina Valente, Paola, Hermann Prey, Paul Kuhn, Margot Hielscher, Golden Gate Quartet, Willy Millowitsch, Costa Cordalis, Ireen Sheer, Tina York, René Kollo, Dagmar Berghoff, Karin Tietze-Ludwig, Dagmar Koller, Reinhard Mey, Mireille Mathieu, Truck Stop, Johanna von Koczian, Freddy Quinn, Ilse Werner, Dieter Eppler, Claus Wilcke, Heino.
Zum blauen Bock
Das Besondere an der Sendung: Sie wanderte. Das heißt, die Aufzeichnungen fanden an unterschiedlichen Orten, mit Vorliebe in Hessen, vor Publikum statt. Was dem HR besondere Sympathien eintrug, war das Konzept, auch kleine Orte zu besuchen – sofern eine Veranstaltungs- oder Sporthalle ausreichend Platz für den Produktionstross bot: Lich, Treysa, Friedewald, Rodheim-Bieber und Lorsch kamen auf diese Weise in den Genuss von TV-Prominenz. Neben Berlin, Bonn und Stuttgart verwandelten sich sogar Hallen in Zürich, Salzburg und Vaduz in Apfelweinkneipen.
Das Symbol für eine der erfolgreichsten Sendung des HR: der Bembel, die dickbauchige Kanne aus Westerwälder Steinzeug, aus der der Äppelwoi in Strömen floss. Heinz Schenk bewahrte viele dieser Krüge als Erinnerung noch Jahre später in seiner Hausbar in Naurod auf.
Gemeinsam mit Lia Wöhr, Liesel Christ und Reno Nonsens trat Schenk gerne im Frankfurter Volkstheater auf. Sein schauspielerisches Talent durfte er in Dieter Wedels Dreiteiler „Wilder Westen inklusive“ und in zahlreichen TV-Auftritten beweisen. Eine Paraderolle war ihm 1992 in der Satire „Kein Pardon“ mit der Figur des Showmasters Heinz Wäscher auf den Leib geschrieben. Hier brillierte Schenk im Zusammenspiel mit seinem jungen Kollegen Hape Kerkeling.
Anlässlich seines 65. Geburtstages strahlte der Hessische Rundfunk im Dezember 1989 die Sendung „Ich lade gern mir Freunde, von und mit Heinz Schenk“ aus. Von Februar 1993 bis November 1996 gelang ihm mit der Sendung „Fröhlich eingeSchenkt“ ein Comeback. 2007 feierte der HR die Erinnerung an den ersten Blauen Bock 1957 mit einer großen Jubiläumssendung „50 Jahre Blauer Bock“, an der Heinz Schenk natürlich mitwirkte.
Weniger bekannt sind Heinz Schenks Erfolge als Sänger und Textdichter. Sein größter Hit (Platz 35 in den Verkaufscharts) war das anlässlich einer Blaue-Bock-Sendung aus Vaduz 1978 entstandene Lied „Es ist alles nur geliehen“, mit dem er in der ZDF-Hitparade auftrat. Ebenfalls aus seiner Feder stammen Werke wie „Alles kann der Mensch sich kaufen – nur keine Zeit“ und „Wir sind alle Marionetten“. Auch den Karnevalshit „Heut ist Karneval in Knieritz an der Knatter“ hat sich der gebürtige Mainzer ausgedacht. Kult war, dass dieses Lied in den 1970er und 1980er Jahren von dem Schauspieler und Komiker Ernst H. Hilbich jedes Jahr in der Fastnachtszeit im Blauen Bock präsentiert und dafür von Heinz Schenk aktuell umgeschrieben wurde. 1985 sang Schenk das Lied der ARD-Fernsehlotterie „Gib dem Glück eine Chance“.
Ausgezeichnet wurde der Unterhaltungskünstler zwei Mal mit dem Bambi des Burda-Verlages, mit dem Hessischen Verdienstorden, der Hermann-Löns-Medaille und dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Eine nicht ganz ernstgemeinte, aber liebevolle Ehrung erfuhr der Wahlhesse in einem berühmten Song der hessischen Rockband Rodgau Monotones. „Unser David Bowie heißt Heinz Schenk“ lautet eine Zeile der inoffiziellen Hymne „Die Hesse komme!“.
In der Nacht zum 1. Mai 2014 starb Heinz Schenk im Alter von 89 Jahren in seinem Wohnhaus in Wiesbaden-Naurod an den Folgen eines Schlaganfalls. Er wurde am 15. Mai im engsten Freundeskreis auf dem Friedhof Wiesbaden-Naurod neben seiner Frau Gerti beigesetzt, die ein halbes Jahr vor ihm verstorben war.
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) würdigte den Verstorbenen in einem Nachruf: „Er hat über viele Jahrzehnte das Bild der Hessen in ganz Deutschland mitgeprägt.“